Im Gespräch

Johann Auer.

Ein Traditionsunternehmen erfindet sich neu.

Die Strasser AG Thun, ein traditionsreicher Schreiner, erfand sich in den letzten Jahren als «strasserthun.» neu. Weg von Ausschreibungen und Preisgeschäften, hin zu individualisierten Produkten (Losgröße 1) im gehobenen Segment. Möglich machte das dem innovativen Schreinerbetrieb unter anderem ein neues Fertigungsverfahren, das unter der Submarke «sublidot by strasserthun.» bereits mit einigen Design-Preisen ausgezeichnet wurde und die Möglichkeiten der Materialbearbeitung völlig neu definiert. Aus Sicht des Schweizer KMU ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft – aber auch ein Abenteuer. Geschäftsleiter Marcel Schwander erzählt im Interview, wie Strasserthun neue Wege einschlägt.

Von Johann Auer.

Johann Auer:
Herr Schwander, Sie sind Geschäftsleiter der Strasser AG Thun, einer traditionsstarken Schreinerei. Dennoch geht Ihr Unternehmen vor allem in den letzten Jahren neue, innovative Wege. Man kann fast sagen, Sie hätten sich neu erfunden?

Marcel Schwander:
Ja, Innovation ist wie bei vielen Unternehmen natürlich auch für uns ein zentraler Punkt. Veränderungen sind nötig, um den veränderten Bedingungen des wirtschaftlichen Umfelds zu begegnen – noch müssen aber erst die passenden Märkte entdeckt und für unsere Leistungen sensibilisiert werden. In unserem Fall ist hierfür noch Aufklärungsarbeit nötig. Wir haben irgendwann bemerkt, dass das angestammte Kundengeschäft nicht mehr die geplanten und notwendigen Erträge einbrachte. Vielleicht zwei Jahre nach dieser Erkenntnis haben dann Kursschwankungen zwischen dem Schweizer Franken und dem Euro nochmals bekräftigt, dass wir vor einer Grundsatzentscheidung standen – dass sich etwas ändern musste. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, was wir dem Umland an Innovationen zu bieten haben. Wir haben 72 Mitarbeiter und KMU-typisch nur begrenzte finanzielle Ressourcen. Noch trägt das klassische Geschäft alles. In den neuen Märkten, die wir erschließen wollen, besteht noch viel Unsicherheit und Unwissen. Wir bauen aber darauf, dass die Submarke «sublidot by strasserthun.» uns weitertragen wird. Das Verfahren begeistert die Menschen bereits, jetzt fehlen nur noch die entsprechenden Projekte dafür, mit denen wir unsere neuen Methoden richtig zur Geltung bringen können. Diese kommen natürlich erst zeitverzögert. Unsere Infrastrukturen haben wir schon hochgefahren, um die nötige Basis für Aufträge zu schaffen und Überforderung zu vermeiden, wenn es so weit ist. Für einen guten Start war das nötig. Daraus ergibt sich aber in Konsequenz, dass wir eigentlich viel investiert haben, um einen neuen Markt zu erschließen, in dem es bisher keinerlei Erfahrungswerte gibt. Es ist sozusagen ein recht heißes Geschäft. Aber wir glauben an uns, an die eigene Innovation. Wir haben es geschafft, unsere Produkte mit 100%iger Individualisierung anbieten zu können – bei Losgröße 1. Daneben haben wir vorsorglich Erweiterungsmöglichkeiten geschaffen, was etwa die Räumlichkeiten und die eingesetzten Maschinen usw. betrifft, können also jederzeit aufrüsten, wenn es nötig wird. Jetzt fehlen nur noch die großen Aufträge. Nachdem alle Voraussetzungen geschaffen wurden, ist nun die richtige Positionierung der nächste bedeutende Schritt.

JA: Das heißt, Strasserthun will sich von der Positionierung als Schreiner wegbewegen?

 

MS: Nun, die Schreinerei ist unsere Basis, die wir keinesfalls verleugnen. Wir sind ursprünglich Schreiner, 90% von uns sind auch Schreiner. Auch ich selbst bin immer noch ein Schreiner. Unsere Leidenschaft ist es, für die Kunden etwas Besonderes schaffen zu können, etwas Schönes. Aber wir befinden uns in einer umkämpften Branche. Deshalb war es nötig, ausgehend von dem, was wir am besten können, unsere Angebote zu schärfen. Bereits früher war einer der stärksten Ansätze die individuelle Materialveredelung, nicht auf Holz beschränkt, sondern auch mit in dieser Branche eher unüblichen Werkstoffen wie Acrylglas oder Leder, wir nutzten Spachteltechniken und vieles mehr. Im Prinzip hat sich das aus dem Kerngeschäft heraus entwickelt, aus dem Umgang mit unserer Kundenbasis im eher anspruchsvollen Bereich. Ausgehend von unserem umfassenden Schreiner-Wissen haben wir uns als «Materialisten» neu gefasst und vor allem die Bereiche Innenarchitektur und Innenausbau fokussiert. Ideal ist es in diesem und vielen weiteren Zusammenhängen, möglichst früh am Kunden zu sein. Wir stehen schon vor Beginn der eigentlichen Projekte beratend zur Seite. So schaffen wir es auch, frühzeitig eine emotionale Verbindung zu unseren Kunden herzustellen.

Marcel Schwander

JA: Ich nehme an, Ihre Showrooms, wie etwa «punkt6», spielen in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle?

MS: Absolut. «punkt6» haben wir im Frühjahr 2015 eröffnet und zeigen dort weit über 1.000 hochwertige Oberflächenmuster, die uns einen proaktiven Zugang ermöglichen und den Kunden eine gewisse Sicherheit vermitteln. Wir haben hier eine sehr breite Palette an Materialien und die Fähigkeiten, aus diesen etwas Besonderes zu erzeugen. Angesichts des umfangreichen Angebotes war es dann aber mitunter überraschend, wenn Kunden, nachdem ihnen das alles veranschaulicht wurde, danach fragten, was es sonst noch gibt. Deshalb sind wir noch einen Schritt weiter gegangen, und haben statt reiner Vielfalt auf 100%ige Individualisierung gesetzt. Da spielt natürlich auch der Wiedererkennungswert eine große Rolle. Solche Angebote waren aber über Jahre hinweg schlicht nicht finanzierbar, bzw. hätte niemand die anfallenden Kosten bezahlen wollen. Da haben wir angesetzt, und an der Überzeugung, dass ein vollkommen individualisiertes Produkt eine höhere Zahlungsbereitschaft schaffen würde. Ein emergentes Problem dabei ist aber, dass viele Kunden – oder potenzielle Kunden – unser Angebot noch gar nicht kennen. Es war abermals nötig, unsere Positionierung auf dem Markt zu überdenken. Das auch im Umfeld äußerer Einflüsse, die die Branche unter Druck setzten. Wir konzentrierten uns also auf unsere ausgesprochenen Stärken, unsere absoluten Kernkompetenzen. So gesehen sind wir reduktionistisch vorgegangen. Letztlich sind wir eigentlich fast zufällig auf das gestoßen, was wir dann unter der Submarke «sublidot by strasserthun.» lancieren würden. Vor einigen Jahren waren wir noch einfach Schreiner, wenn auch mit einem Hang zum Speziellen: Die Strasser AG Thun. Unter den geänderten Voraussetzungen kreierten wir den Brand «strasserthun.» und wollten uns damit im Kerngeschäft – dem Innenausbau – vermarkten. Wir schufen auch neue Handelsstrukturen nach Deutschland, Italien, Österreich und Frankreich, waren – und sind – aber immer noch ein KMU. Erschwerend kam hinzu, dass die weitere Entwicklung von Sublidot schwer einschätzbar ist. Ausgehend von unserer Materialkompetenz haben wir uns entschieden, die Chance für eine Neupositionierung zu ergreifen, um uns so aus den alten Märkten heraus zu vergrößern und die Kunden eben auch in Italien oder Österreich abholen zu können. Einer der bedeutendsten Faktoren dieser Neupositionierung war die Materialkompetenz. Auf dieser Basis haben wir dann Sublidot kreiert. Unsere unternehmerische Bereitschaft hat uns sozusagen neue Wege eröffnet.

Materialkompetenz zum Anfassen: Der Showroom «punkt6»

JA: Interessanterweise geht also der Erweiterung eine Reduzierung voraus? Auch sonst setzen ja viele neue Zugänge an bewährten Fähigkeiten an. Laut der Uni St. Gallen bestehen immerhin neun von zehn Geschäftsmodellen aus der Verquickung von Altem und Neuem…

MS: Ja, zu einem guten Teil ist das richtig. Aber irgendwann ergibt diese Durchmischung etwas, das in sich neu und originär ist. Das passiert auch alles nicht losgelöst von den restlichen Marktentwicklungen und ist auch eine Frage der Kultur. Sehen Sie, in der Schweiz und vermutlich auch in Österreich gibt es die klassische Tischlerei noch. Die Märkte sind stark von KMU geprägt. In Deutschland hingegen ist das Angebot der Tischlereien viel stärker spezialisiert. Dort gibt es viele Betriebe, die nur aus zwei, drei Mann bestehen, dafür aber ein sehr spezifisches Angebot bieten. Um den Rest kümmern sich dann wesentlich größere Betriebe. In der Schweizer KMU-Landschaft dagegen finden sich sehr viele Unternehmen, die bis zu etwa 10 Personen als Belegschaft haben. Die Preiskompetenz wird also sehr wichtig, ganz zu schweigen davon, dass es recht schwierig sein kann, Risiken gut zu adressieren und abzufedern, wenn das Personal so übersichtlich ist. Da kann man entweder flexibel sein oder auf längere Sicht verlieren. Man muss neue Märkte erschließen, möglichst bei voller Konzentration auf ein spezifisches, möglichst starkes Standbein. Zur Preiskompetenz tritt somit die Ausführungskompetenz. Dazu muss man großflächig Ausschau halten nach Kunden und Zielgruppen, die auch die entsprechende Zahlungsbereitschaft aufweisen. Wenn man sich als KMU bei der breiten Masse positionieren will, wird die Vermarktung sehr fordernd. Wir sind etwa im Gespräch mit einem Kunden aus Neuseeland, da gilt es, in der Kommunikation einiges zu beachten. Manche schrecken diese Herausforderungen wohl auch ab.

JA: Das hat sich wohl auch stark auf Ihre angepeilten Kundensegmente ausgewirkt. Sind das andere als früher? Ich nehme an, dass beispielsweise Schulen, die früher ja zur angepeilten Kundengruppe gehört haben, nun nicht mehr explizit angesprochen werden?

MS: Ganz richtig. Bei Schulprojekten und dergleichen ist die Konkurrenz sehr groß und die eigene Differenzierung schwierig. Der klassische Schreinermarkt ist unter anderem stark von Generalsubmissionen geprägt. Solche Ausschreibungen waren für uns oftmals gerade noch kostendeckend. An diese Geschäfte gehen wir inzwischen nur mehr heran, wenn sie Bereiche betreffen, in denen wir spezielle Fähigkeiten haben. Das sind letztlich alles Preisgeschäfte. Für Anbieter aus der Schweiz kommt deshalb erschwerend hinzu, dass zum Beispiel in Deutschland die Arbeitszeit viel billiger ist. Als Schweizer Unternehmen kann man sich da sehr schwer durchsetzen, bzw. kaum in Konkurrenz zu Anbietern treten, die einfach niedrigere Kostenstrukturen haben. Früher haben auch viele Hotels zu unseren Kunden gehört. Durch die Stärke des Schweizer Franken waren wir hier aber plötzlich viel teurer als die Konkurrenz. Es war also klar: Mit Preisdifferenzierung werden wir vor allem im internationalen Umfeld nicht punkten können. Jetzt differenzieren wir uns über unsere Angebote und kommen so auch an neue Kunden – zu denen seit letztem Jahr erfreulicherweise nun auch wieder Hotels gehören. Diesmal überzeugen wir sie aber nicht mit dem Preis, sondern mit unserem Mehrwert.

Sublidot in der Raiffeisenbank Olten
Detail Sublidot-Oberfläche

JA: Not macht erfinderisch, wie man sagt.

MS: Ja. Das wird im Übrigen nicht nur in der Schweiz, sondern sicher auch etwa in Österreich eine Rolle spielen: Das Sich-absetzen von manchen alten Märkten. Unsere Kernkompetenzen haben sich einfach verändert. Standardaufträge, wenn man sie so nennen mag, die meist an den günstigsten Anbieter ergehen, fallen nicht mehr in unseren Fokus. Außerdem hinterlässt das eigene Verhalten in diesen Ausschreibungssituationen ja auch Spuren im Markt. Wenn wir im Vergleich mit weiteren Anbietern immer die Teureren wären, würde das letztlich auch unseren Ruf prägen. Wir sind aber nicht in erster Linie teuer, sondern eher speziell sozusagen. Wir schaffen Besonderes, nicht Teures per se. Deshalb haben wir uns von diesen Märkten abgekoppelt. Einen Preiskampf werden und wollen wir auch nicht eingehen. In der Außenwahrnehmung ändert sich dieses Bild aber langsamer. Viele Architekten, sogar solche aus Thun selbst, haben immer noch das «alte» Bild von uns. Schon mehrere von ihnen haben sich für diese Sichtweise persönlich bei mir entschuldigt, nachdem sie unseren Showroom punkt6 erstmals besichtigten. Auch das ist eine Herausforderung im Fahrwasser von Innovation: Wie gehe ich anders auf meine Kunden zu? Das ist keine Schreinerfähigkeit. Als Schreiner stellen wir Produkte her. Die Frage, die daran anschließen muss, ist aber: Wie bringe ich diese Produkte dann auch in den Markt und an die Abnehmer?

JA: Ja, ist klar. Dabei haben gerade Architekten klarerweise eine wichtige Vermittlungsfunktion. Wie funktioniert es dann? Kommen die Endkunden selbst zu Ihnen?

MS: Die Endkunden ja, nur die Architekten sind noch nicht bereit; und möglicherweise etwas überfordert. Das ist keineswegs als Vorwurf zu verstehen. Ein Architekt hat eine ganz andere Sichtweise als die Endkunden. Architekten pflegen eine ganzheitliche Betrachtungsweise, in ihren Überlegungen geht es auch um Themen wie Elektrik, die Heizungsinstallation und vieles mehr, der gesamte Innenausbau, die Gestaltung usw. Punkt6 ist für die plastische Darstellung unseres Angebotes sehr wichtig. Hier können wir proaktiv mit den Endkunden interagieren. Sehr oft sind es diese, die die Architekten mitbringen, nicht umgekehrt. Bei solchen Besuchen öffnen wir den Showroom für Architekten und Kunden und stehen selbst nur beratend zur Seite. So ergeben sich oft auch Ansatzpunkte für Schreinerarbeiten. Prinzipiell ist unser Angebot auch für die Endkunden recht komplex, aber wir müssen sie ansprechen, die Architekten bringen sie ja nicht von sich aus zu uns. Diese Herausforderungen zeigten sich etwa erst kürzlich auf der Ausstellung «Architect@Work» in Deutschland sehr deutlich. Es war klar ersichtlich, dass es in Richtung der Architekten noch viel Aufklärungsarbeit geben muss. Es kam vor, dass ich jemandem minutenlang erklärte, was Sublidot kann, worin das Angebot besteht, um dann letztlich eine Frage wie «Und was kann man also damit anstellen?» gestellt zu bekommen. Ich würde schätzen, dass diese Reaktion ungefähr auf 50% der Personen zutraf, einige waren also überfordert von den Möglichkeiten. Das ist eben die Sache, wenn man sich in seinen Kreationen völlig frei bewegen kann: Es wird sehr schnell kompliziert, vor allem, wenn man als Architekt auch gleich die unterschiedlichsten weiterführenden Faktoren in die Überlegungen mit einbezieht. Die Endkunden verhalten sich da komplett anders. Bei diesen stellt sich sehr schnell Begeisterung ein und Emotionen werden geweckt, eben, weil sie nicht diesen technischen Zugang haben. Sie sehen einfach, dass es da extrem schöne, völlig individuell gestaltete Produkte gibt. Im Vergleich zu den Architekten ist das eine ganz andere Ebene. Und dieser Ebenenwechsel ist eine wirkliche Herausforderung. «punkt6» fungiert hier als wichtiger Katalysator.

Hochklassige Produkte von «strasserthun.» – Design: Harry Hersche.

JA: Ich denke, viele Unternehmen mit ähnlichen Aufgabenstellungen sind in naher Zukunft gefordert, wenn es darum geht, individualisierte Dienstleistungen zugänglicher zu machen. Manche meinen, dass digitale Konfiguratoren deshalb eine immer größere Rolle spielen werden, um auf Kundenseite möglichst Komplexität zu verringern.

MS: Ja, das war auch bei uns zu Beginn die Überlegung: Sollen wir das alles virtuell auslegen? Könnten wir dann besser vermitteln? Letztlich hat sich aber die klare Meinung herauskristallisiert, dass wir bewusst diesen Weg nicht einschlagen wollen. Wir meinen, unseren potenziellen Kunden wären diese Möglichkeiten keine ausreichende Entscheidungsgrundlage. Zu wichtig ist die Haptik, das physische Stück, das man betasten kann, das Gewicht hat, eine Oberflächenstruktur und derartiges. Wie gesagt, wir wollen die Menschen nicht mit den Möglichkeiten überfordern, wir wollen Emotionen wecken. Dabei ist es egal, ob ein Kind oder eine ältere Dame in Kontakt mit unserem Angebot kommt. Wir können beide gleichermaßen und unmittelbar begeistern. Individualität, nicht Massenware. Jeder Kunde bekommt mit jedem Produkt von uns auch eine Geschichte, Produkte, die den persönlichen Wünschen entsprechen. Die Kunden können sich aktiv durch ihre Geschmäcker differenzieren. Diese Möglichkeit gehört bei uns praktisch dazu. Man nehme, nur um ein Beispiel zu nennen, unser Rindentuch. Dieses wird in Uganda in Handarbeit Stück für Stück für uns hergestellt und weist eine ganz besondere Oberfläche und Griffigkeit auf. Kein Online-Konfigurator kann das Gefühl vermitteln, solche Stoffe auch wirklich vor sich zu haben, sie anzufassen, ihre Gerüche aufzunehmen oder diese einzigartigen Texturen zu beobachten. Kein Bild kann das vermitteln. Daneben ist das natürlich auch eine Finanzierungsentscheidung. Es geht nicht alles gleichzeitig.

JA: Wie erreichen Sie die Endkunden dann?

MS: Nun, digitale Plattformen nutzen wir schon, haben dabei aber noch keinen großen Erfahrungshintergrund. Print-Inserate spielen natürlich eine Rolle. Und natürlich Öffentlichkeitsarbeit wie eben jene Ausstellung, die ich gerade erwähnt habe. «Architect@Work» kann man sich wie Speed-Dating vorstellen. Jeder Aussteller hat nur sehr wenig Raum zur Verfügung, ein paar Quadratmeter. Dafür garantieren sie aber auch, dass dort ausschließlich Innovationen gezeigt werden. Es ist also alles stark reduziert auf neues Wissen, neue Zugänge und Ansätze. Für uns spielen in der Kommunikation nach außen auch Materialdatenbanken eine Rolle, daneben natürlich die üblichen PR-Maßnahmen und Artikel in Fachzeitschriften. Letztlich kommen aber viele Kunden persönlich zu uns. Wir handhaben das dann so, dass wir möglichst zuerst die Zahlungsbereitschaft abfragen und dann schauen, wie wir damit arbeiten können. Für Sublidot bedeutet das, dass wir dann beispielsweise bei einer Kommode nur die Schubladen mit Sublidot herstellen, um die Kosten im Rahmen zu halten. So gesehen hat das auch Vorteile: Früher, als noch Grossteils Architekten vermittelt haben, wussten wir selbst nie über die eigentliche Zahlungsbereitschaft Bescheid. Denn es waren ja die direkten Kunden der Architekten, unsere nur indirekt. Diese Beziehungen sehen heute ganz anders aus. Auch aus diesen Gründen sind unsere Showrooms so wichtig. Wir haben mittlerweile einen solchen in Thun selbst, «punkt6», aber auch «punkt58» in Zürich, um näher an die Kunden zu kommen. In diesem Sinne haben wir auch Vertreter, die etwa 150 verschiedene Materialien zur Ansicht dabeihaben und Interessenten per Auto besuchen kommen. Viele Kunden erwarten bequeme Möglichkeiten, um unsere Angebote kennenzulernen. So jemanden haben wir übrigens auch für Österreich, in diesem Fall mit Sitz in Norditalien. Wenn Sie etwa unsere Angebote besichtigen wollen, könnte dieser Vertreter zu Ihnen kommen.

JA: Okay, also gehört auch Österreich durchaus zum angesprochenen Markt. Wo kann man Ihre Angebote sonst noch in Anspruch nehmen?

MS: Na ja, grundsätzlich hat Sublidot so gesehen keine Grenzen. Unser Marketing zielt aber vor allem auf die Schweiz, Deutschland, Österreich und Norditalien ab, größtenteils also auf den deutschsprachigen Raum. Wir verfügen dabei sozusagen über Agenten, die beratend vermitteln, für sich aber eigenständige Unternehmer sind, die eben dann entsprechend herumreisen. Wenn ein Auftrag zustande kommt, läuft die gesamte Abwicklung über uns, die Vertreter erhalten eine Provision. Richtige Vertriebsorganisationen wären zu kostspielig. Wir versuchen das jetzt ein Jahr lang so, dann werden wir die Situation neu bewerten und gegebenenfalls umdenken. Grundsätzlich gilt aber bereits jetzt: Wenn die Kunden nach uns rufen, dann sind wir auch zur Stelle.

 

JA: Ganz offensichtlich hat sich bei Strasserthun also in den letzten Jahren sehr viel getan. Im Großen und Ganzen: Was waren die größten Herausforderungen bei Ihrer Neuausrichtung?

MS: Die größten Herausforderungen sind erst in den Vordergrund gerückt, als der Entscheid, wie wir weitermachen wollen, schon da war. Unsere neuen Leistungsangebote waren sehr innovativ und völlig neuartig, das war klar. Aber: Viele KMU glänzen mit neuartigen Zugängen, die sich dennoch nie durchsetzen. Innovation ist zwar im heutigen Umfeld ein bedeutender Faktor, für viele – und auch für uns – fängt die Arbeit aber da erst richtig an: Die größte singuläre Herausforderung ist es nun, diese Innovation auch auf dem Markt bekannt zu machen. Wir sind immer noch Schreiner; unsere Leidenschaft ist es, neue, unverbrauchte und begeisternde Produkte zu erzeugen. Auf diesem Gebiet können wir brillieren. Das Marketing ist dabei aber eine ganz andere Sache, die für uns noch eine große Hürde darstellt. Unsere Botschaften selbst sind top, und auch für Sublidot sehr überzeugend. Aber wir sind eben kein Riesenbetrieb, und aufgrund unserer KMU-Struktur beim Marketingbudget eingeschränkt. Flächendeckende Ansätze sind daher sehr schwierig, einfach weil sie so kostspielig sind. Wir haben ursprünglich tatsächlich gesagt: Wir machen einfach mal. Aber immer noch haben wir in unserem Markt kein Promille Marktanteil. Das also ist zweifellos die größte Herausforderung. Von daher ist es mir durchaus verständlich, dass vielen Firmen die Ausrichtung auf neue Wege Angst macht. Wir sind aber überzeugt, dass das eben die Hürde ist, die man nehmen muss, um dem eigenen Unternehmen eine erfolgreiche Zukunft zu bahnen.

Über Johann Auer

Johann Auer hat Deutsche Philologie und Philosophie studiert, arbeitet seither als Journalist und betreibt ein Lektoratsbüro. Als Texter schreibt er für SLIM über Führungs- und unternehmerische Fachthemen.

 

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Johann Auer