Im Gespräch

Ata Bozaci.

Mensch, Graffiti und Architektur

Aus der Zusammenarbeit des Künstlers Ata Bozaci mit dem Hightech-Unternehmen Strasserthun, das sich «Schreinerei» nennt, entstand eine neue Art von Werk. Dieses ist in Zürich erstmals zu sehen.

 

von Mark van Huisseling

«Manchmal ist das Ganze mehr als die Summe der Teile.» Diesen Satz liest man oft, so oft, dass Vorsicht geboten ist, wenn er wieder einmal auftaucht. Manchmal ist das Ganze aber tatsächlich mehr als die Summe der Teile. Beispielsweise wenn es um die Zusammenarbeit des Künstlers Ata Bozaci mit der Schreinerei Strasserthun geht. Das ist in der aktuellen Ausstellung «4478 m ü m.» im Zürcher Showroom des Thuner Familienunternehmens zu überprüfen; dort werden Neuinterpretationen des viel besungenen und -abgebildeten Bergs gezeigt.

Showroom Punkt 58, Zürich

Ata Bozaci, Schweizer türkischer Herkunft, wuchs in Burgdorf auf. Der 46-Jährige beschreibt sich als «internationalen Künstler, Grafiker und Graffitiwriter der ersten Stunde», als bildenden Künstler mit Street-Art-Background. Bei der Firma Strasserthun handelt es sich um eine Schreinerei – «wir sind Schreiner. Punkt», sagt Marcel Schwander, Geschäftsführer der Firma mit 75 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Man kann auch sagen: «Xherdan Shaqiri ist Fussballer. Punkt.» «Nicht gewöhnliche Schreiner vielleicht», sagt Schwander, doch weiter geht er nicht. Am Standort der Firma zwischen der Stadt Bern und dem Berner Oberland hält man sich zurück, mehr sein als scheinen ist dort eine Tugend.

Bozacis Entwicklung bisher verlief so: vom Sprayer zum Künstler, der digitale Werke hervorbrachte, und wieder einen Schritt retour zum Künstler, der sprayt. Für seine jüngsten Arbeiten hat er das Medium erneut gewechselt – er geniesse das Privileg, mit einer neuen Lasertechnologie zu experimentieren, sagt der in Zürich lebende und arbeitende Künstler.

Ata Bozaci

In Zusammenarbeit mit Strasserthun hat er entschieden, das Matterhorn in verschiedenen Verfahren umzusetzen. Das Motiv stehe für das innovative Zusammenspiel zwischen Künstler und Technologie. «Innovation wird als eine Schweizer Tradition gewertet. Das Matterhorn ist ikonisch, wuchtig und das Aushängeschild der Schweiz», sagt er.

Ein Motiv aber auch, das bereits Tausende Male bildlich dargestellt wurde. Die Herausforderung bestand also darin, den Berg neu zu präsentieren. Bozaci: «Wir wählten einen unverkennbaren grafischen Stil, umgesetzt mit einer in der Schreinerwelt noch nie dagewesenen Technologie.»

Den Künstler und die Technologie zusammengebracht hat Serge Pietsch von Strasserthun. Er und Ata go back a long way: Ata war Serges Held vor vielen Jahren, als dieser sich noch «Toast» nannte und als Sprayer in Burgdorf und Bern unterwegs war. Zirka 23 Jahre später, Pietsch hatte gerade eine Stelle als Produkt-Manager in der Thuner Schreinerei angetreten, erinnerte er sich an sein Vorbild aus der Teenagerzeit. Die Lasertechnologie, die sein neuer Arbeitgeber entwickelt hatte, und die Arbeitstechnik des ehemaligen Sprayers – das müsste passen, dachte er.

Schreiner und Laser? Der eine arbeitet mit Holz, der andere funktioniert mittels eines Lichtstrahls, der Material verbrennt. Darum gehören die zwei Worte nicht in einen Satz. Meint man. Aber was, wenn es sich beim Schreiner um keinen gewöhnlichen handelt?

...was, wenn es sich beim Schreiner um keinen gewöhnlichen handelt?

Wenn wir es davon haben: Der Schreiner kam fast zufällig zur Lasertechnologie, die das Unternehmen heute in seiner Branche weltexklusiv einsetzt. Eigentlich war Geschäftsführer Schwander auf der Suche nach einem Verfahren, mittels dessen er Musterstücke – weit mehr als 1000 verschiedene Materialien werden vom Unternehmen verarbeitet – sauber und unauslöschlich beschriften konnte. Damit keine fremde Firma sich damit schmücken konnte. Das sollte sich mittels Laser bewerkstelligen lassen, war die Überlegung.

Doch bis es soweit war, kostete es erst einmal reichlich Zeit und Geld. Rückblickend ist, dank dem Erkenntnisgewinn, immer alles einfacher und vieles klar. Doch so lange man mitten drin steckt im Lösungsfindungsprozess, ist nichts einfach und das meiste unklar. Seither ist viel Wasser die Aare runter geflossen. Und Strasserthun hat sich sogenannte Prozesssicherheit erarbeitet bei der Lasertechnologie.

Eigens dafür wurde die Submarke «Sublidot by Strasserthun» geschaffen. Um deren Bedeutung für die Zukunft des Unternehmens zu versinnbildlichen: Bereits machen die damit verbundenen Umsätze 4 Prozent der Gesamteinnahmen aus, und Schwander sagt voraus, dass diese Zahl in den kommenden Jahren auf 10 Prozent steigen werde, vielleicht noch höher. Im Ausland erhalten mit «Sublidot by Strasserthun» beworbene Anwendungen soviel Aufmerksamkeit, dass das Unternehmen gelegentlich auf seine Lasertechnologie reduziert werde. Was ein Luxusproblem ist, eines dennoch, das der Geschäftsführer lösen wollte.

Was «Sublidot by Strasserthun» dafür dienen konnte, war ein Showcase. Den lieferte Ata Bozaci respektive die Kooperation mit ihm. Besonders interessant daran für den Künstler: Erst durch das Laserverfahren erhalten die Werke auf dem Medium haptische Eigenschaften und gewinnen an Tiefe, beim Digitaldruck hingegen bleibe das Motiv flach. Ein klarer Vorteil, sagt er. Plus: «Das Holz lebt, es reagiert unterschiedlich auf das Laserverfahren. So entsteht jedes Mal ein Unikat.»

Seine Technik, mit Facetten und Strukturen oft vielschichtige, aber monochrome, also einfarbige Werke zu schaffen – beispielsweise das Matterhorn mit seinen Flanken, die teils aus nacktem Fels, teils mit Schnee bedeckt sind –, bietet der Technologie eine Bühne. Oder ist es umgekehrt: Sorgen erst die Möglichkeiten des Lasers dafür, dass das Werk gelingt? Anders gefragt: Wer verhilft wem zu Glanz? Egal. «Das schönste Ergebnis für uns ist, wenn Atas Werk abgeht wie eine Rakete – dank unserer Technologie», sagt Marcel Schwander.

Denn nichts ist ein besserer Klebstoff für eine geschäftliche Partnerschaft als gemeinsamer Erfolg. Oder wenn aus dem Ganzen mehr wird als die Summe der Teile.

Das schönste Ergebnis für uns ist, wenn Atas Werk abgeht wie eine Rakete – dank unserer Technologie

Über Mark van Huisseling

MvH, geboren 1965 in Bern, ist «ein selbstständiger renommierter Journalist und Autor» (10vor10 SRF 1). Seine Artikel werden in der Schweiz etwa in der NZZ am Sonntag oder der Weltwoche, wo er die Kolumne «Wunderbare Welt» schreibt, veröffentlicht; in Deutschland unter anderem im Focus-Magazin. Sein erstes Buch, «How to be a Star», war ein Bestseller in der Schweiz, in der Folge erschienen «Wie man berühmte Menschen trifft» und «Zürich» bei deutschen Verlagen. Im Herbst 2017 kam sein erster Roman «Letzter Halt Bahnhofstrasse» (Münster Verlag Basel) heraus, Ende 2017 wurde davon eine zweite Auflage gedruckt. Sein jüngstes Buch, «Mann, Baby, Mann» (Stämpfli Verlag), handelt davon, was passiert, wenn aus Männern Väter werden. Nach einem Aufenthalt in London lebt Mark van Huisseling wieder in Zürich. Er ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn.

 

markvanhuisseling.substack.com

markvanhuisseling.ch

Mark van Huisseling